Zurück in Deutschland und doch alles anders

Solina ist seit 2,5 Monaten aus ihrem Freiwilligendienst in Benin zurück und berichtet über die Herausforderungen des Zurückkommens.

Ziemlich genau zweieinhalb Monate ist es jetzt her seit ich meine Arbeitsstelle in der ONG MEV, die Partnerorganisation der Kinderhilfe, in Porto Novo (Benin), verlassen habe und nach einem Jahr nach Deutschland zurückgekehrt bin. Eine komplett bezugslose Zahl, wenn ihr mich fragt, denn manchmal kommt sie mir vor wie wenige Tage, manchmal – und das leider viel öfter – als wären in der Zwischenzeit Jahre vergangen. Immer noch werde ich viel auf mein Auslandsjahr angesprochen. Meistens ist das erste, das Leute fragen, wenn sie mich sehen: „Hey, wie war’s in Benin?“ Dann stehe ich immer da und bin ratlos. Was antwortet man auf so eine Frage? Gut war’s in Benin, so viel ist sicher, aber passen die unzähligen Erfahrungen und Entdeckungen, die ich gemacht habe, in ein einfaches „gut“? Natürlich nicht. Besser geht es mir dann schon mit Fragen nach dem Essen, meiner Arbeit, dem Markt. Hier kann ich erzählen und gleichzeitig in Erinnerungen schwelgen. Dazu komme ich sonst gar nicht so oft.

solina

Die ersten Wochen nach meiner Ankunft wusste ich überhaupt nicht, wohin mit mir. Ich war nicht mehr in Benin, aber auch noch nicht in Deutschland. Mein Umfeld hatte sich verändert, hatte sich ein Stück weit an meine Abwesenheit gewöhnt, und auch ich habe im letzten Jahr begonnen, manche Dinge anders zu sehen. Im Rahmen unserer Seminare wurden wir sehr gründlich auf einen Kulturschock im Ausland vorbereitet. Dass dieses Phänomen durchaus auch andersherum funktioniert, wussten wir zwar, aber zumindest ich habe dem nicht viel Beachtung geschenkt. Umso mehr verwundert es mich, dass ich immer noch manchmal das Gefühl habe, den Schock noch nicht überwunden zu haben. Es ist natürlich nicht mehr so schlimm wie am Anfang, als ich vollkommen unbeholfen vor einem Regal im Drogeriemarkt stand und minutenlang die Hautcremes betrachtet habe, weil ich mit der riesigen Auswahl überfordert war. Oder als ich an einem Zebrastreifen so sehr staunte, dass das Auto tatsächlich anhielt, dass ich beinahe vergaß, über die Straße zu gehen. An diese Dinge habe ich mich wieder gewöhnt.

Noch nicht gewöhnt habe ich mich dafür an den vollen Terminkalender, den Stress und die hektische Art vieler Leute und am wenigsten an die Isolation, das Jeder-für-sich, das so gegensätzlich zu diesem starken Gemeinschaftsgefühl ist, dass ich in Benin hatte. All das sind Dinge, die ich damals nicht bewusst wahrgenommen habe. Dementsprechend standen sie auch nicht auf meiner Liste der Dinge, die ich als wichtig empfand, in den deutschen Alltag einzubinden. Darauf standen triviale Dinge wie „meine beninischen Klamotten tragen“ oder „Kalt und kurz duschen“.

Die Klamotten des letzten Jahres liegen weitestgehend im Schrank und ich dusche inzwischen auch wieder warm. Und das ist auch gar nicht verwerflich. Schlimmer ist, dass ich momentan kaum noch Kontakt zu den Leuten in meinem ehemaligen Umfeld habe. Damit bin ich nicht allein, meinen Mitfreiwilligen geht es ähnlich. An zwei Orten zu leben ist anstrengend, das war es schon, als wir noch in Benin waren, und jetzt ist es noch schwieriger. Einerseits liegt das daran, dass viele der Freunde und Kollegen dort nicht über Whatsapp und Facebook erreichbar und Anrufe teuer sind. Bei einigen spielt auch die Sehnsucht eine Rolle, die besonders stark aufkommt, wenn man in regem Kontakt mit den anderen Leuten steht.

Maedchen

Aber wer bin ich, mich darüber zu beschweren? Wenn es für mich schon so eine Herausforderung ist, dann möchte ich gar nicht wissen, wie es meiner Gastfamilie geht, die jetzt schon zum dritten Mal einen solchen Zyklus durchlebt. Fremde in ihr Leben lassen, sie kennen und mögen lernen, nur um sich nach einem Jahr des Zusammenlebens ‚Auf (Nimmer?)Wiedersehen‘ zu sagen und dann das Ganze wieder von vorn. Im Gegensatz zu uns Freiwilligen haben sie außerdem den Nachteil, nicht in ein anderes Umfeld zurückzureisen, in dem ein anderer Alltag auf sie wartet. Das ist sicher nicht die schönste Situation und rückt bei dem Gedanken an Auslandsjahre meiner Meinung nach viel zu sehr in den Hintergrund und verdient großen Respekt!